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wenn fie den Yieben angen. Tag. raftlos. geldhafft hatte,
Heute fam er nicht in die ffeine. Belle. Gie dadjte an
ihe Abenteuer. — Sie fprad einen Namen, den fie auf
dem weifen Blattlein gelefen, halblaut vor fi hin und
ube ecfejroden gufammen: ,Sobert Braun!”
" Endlid) aber. felief fie fanft ein und faplief, bis
ante Doris mit feftigem-Gepolter fie wedte.
* *
*
Meihnaditgabend! Lieblidjes Wort, voll Poefie und
unnennbaren Zauber3! Weihnadtabend! Draufjen Sdynee-
geftdber und einfame Gajfen; funtelnde Xannenbiume
ftrablen durd) die Fenfter der Reidjen; Minderjubel. und
fromme Gefdnge fdjallen geddmpft iiber Gtrafen und
Plage. Hin und wieder Hufeht eine vermummte Geftatt
voriiber, in freudiger Gile den Vieben Preis. fudend, wo
Freundfdjaft. und Heiterfeit den willfommenen Galt er
watten.
File Truda war e3 nod nicht Feterabend.. Mit einem
Pactdhen.eilte fie durch die Strafen, denn was fie unterm
Mantel gegen: Sturm und Sdjnee geborgen. trug, follte
nod) den Weihnadtstijd) eines Kaufers fcmiiden. WAngft-
lich fudhte fie beim unfidern flacternden Lidjte der Gad-
Taternen die Ziffern der feinen Tafeldjen an den hohen
Haufern gu lejen. Endlid) trat fie in eit Bogenthor;
die. fchwere Pforte war nur angelehnt; fie durdhfdpritt
die Hausflur und ftieg die Steintreppen hinan. Die
Gange des grogen Haujes waren nur fpirlich beleudjtet.
Sie las die Injdhriften, die auf den binfenden Meffing=
jchildern eingegraben: Lauter fremde Namen, Bergebens
verglidh fie die Auffdhrift igves Paddjens mit denen der
Thirfhilder. Baghaft ergriff fie einen Sdhellengug um
den andern, Riemand. in dem grofen Haufe hirte fie.
Sie omm nod) eine fdmale Stiege hinan. Die nadhfte
Thir war nur angelehut. Sie trat in einen angen diiftern
Gang. hr Podjen redhtS und Yinks war vergebeng,
Ungeduldig und entfifloffen dviidte fie auf die erfte befte
Thiirtlinte. Das. Sdhlop fprang auf und fie fdjaute in
einen. weiten, Sden Saal, von einer Wmipel ungewif. ev-
hellt. Aus den Winkeln de3 grofen, aber wiiften und
ungeimliden Gemades {ahimmerten feltfame Statuen Hervor,
Gypsbilder, angefangene Gemalde, Mappen und Bore
Hinge bededten die Wande; am Fenfter ftand eine Stafe
felei mit einer nod) frijdjen Stigze; Pinel, Paletten und
Garber lagen in Unordnung am Boden. Cine Geige und
~ aufgefdjlagene Notenbefte tehuten an einem alten Gammte
feffel. Jn dem bunteljten Wintel deS Saales war eine
mit taufend: phantaftijajen Bildern gefdjmiictte fpanifde
Wand aufgeftellt. Xruda Laufajte mit angebaltenem Uthem
an der Chir, Der Sturm tried heulend Sanee_ mit
Regen untermijaht gegen die hohen Genfter, Hin und her
fadelte die Umpel im: Zugwinde. -
Da, hord! ein {hweres, dumpfes NeHzen aus dem
diiflern Wintel, ein banger Rlageton, wie der eines vere
fdmadtenden Fieberfranten, -Truda gitterte und. {ahi
- “Bis gur Mitte des Gemadhes vorwarts, Gin never {hmerg=
Tider Seufjer; dann verworrene, abgeriffene Worte, ‘cin
Toutes beftiges Sdhludgen. Ginen Mugendlict tampfte die -
Schiidhternheit des Miaddens mit dem Drang, einem
Hilfsbedieftigen beiguftefen. Truda leh ire Lajt Tangfam | Draufen Heulte der Sturm und peitjdjte den feudjten
gu Boden gleiten und trat big didt an Ben in grellen
Parber gematten Borhang. Warum flartte ‘fie fo ere
{ehroden inter die bunten Gatten? .
Unf einem niedrigen Lager lag mit Blut iiberconnen,
mit wildvertwirrten Loder, die dDuntlen brennenden Mugen
gegen fie geriditet, cin Hilflofer, fiebertranter Menjay. tty
feine bleidje Gtirn war ein Leinwandfegen geldjlungen,
Un den ScHlafen drangten fic) dunkle Blutstropfen hervoe ’
und rannent auf die Poljter herab. Sie rif den Bors -
hang yur Seite; das Licht der Ampel fel tlarer auf
das todtenbleidje Gefidht: Robert Braun!
Trude flihlte jeden Blutstropfen in fich erftarren,
Gie fant gegen die Wand de3 Zimmers, und ihre Hand
fudjte cine Gtiige in dev Teerern Luft. Wher nur citer
Augenblie Hielt der Sdhreden ihe unbewadjtes Herz iiber:
mannt, Jn diefer Stunde, in diefem Momente erftartte
fie gum Weibe. Jhr Befdiiger fag da hilflos, blutend,
pom Fieber vergzehrt, in wilden Phantafien vor ihr,
Robert Braun hatte tweder Vater, nod) Mutter, nod)
Gefdjwifter. Berwaist, aber mit einem Heinen Vermdgen
auggeflattet, voll Begeifterung fiir die Kunft und nidt
ohne Talent, hatte er fid) der Maleret gewidmet. Gin
hwarmerijder Geift, der Drang, die weite Welt 3x
ehen und dabei in feiner Runft fic) gu vervollfommnen,
hatter ihn nad) Stalien gezogen. Dort hatte er viet
Shines gefehen, Hatte gejeidynet, mufigict, gedidhtet, -
ohne im Ernjt feine Kunft zur Quelle feines~ Lebeng.
unterhalteS gu maden, und toar dann arm, aber voll
BVegeifterung, und unverdorben an Geift und Hers nad)
Deutfehland heimgetehrt; denn fein Cleines Befikthum tar
in den Liebliden Tagen von Floreny, Nom und Neapel
bald verflitdtigt. Das madhte ifm feine fdjweren Sorgen,
Ohne Sdage aufubhdufen, gewann er dod) mit jeinen
leicht und gefallig arbeitenden Pinfel genug, um- ein
HeitereS Siinjtlerleben fiilhren gu fonnen, und nod) dazu
in dem dden Gaal, den er um geringen Miethzins bee
wobnte, ,
So inmitten feines Heitern Dafeins war das Une
wetter iiber feinem Haupte LoSgebrodjen. Jrre geleitet
bon faljdem Chraefiihl, hatte er einen frevelhaften Bwei=
fampf mit dem Beleidiger Truda’3 angenommen und war
an der Sdlafe verwundet worden. Wus Furdjt vor. den
Folgen feiner ftrafbaren Handlung hatte ev fic) nicht. in
das groge Hofpital der Stadt begeben wollen und war
nun verlaffen und hilffos. Nur hin und wieder fab die
Hausnagd fliidtig nad ifm, und fo hatte fic) fein.
Zuftand im Laufe de8 Nadhmittags rafd) verfajlimmert.
Sn wirren Phantafien fag er da mit brennenden Sehlafen,
verfdhmadtend por Durft am heiligen, begliictenden Wei
nadjtgabend, al Truda Franfert an feinem Sdjmergens-
Vager erfdjien und feine gliifende Stirn tiblte.
Der junge Kiinjtler erfannte fie nicht, aber bald ents
fhlummerte ev Leidht.. Truda eilte auf. die Gaffe hinab,
und ¢3 gelang if, die Wohnung eines WArztes aufyue
finden. Binnen weniger Minuten faf er am Lager de
siinglings, laufdjte feinen Uthempiigen und priifte die
Kopfrounde, die er fiir weniger gefabrlid) erflarte, als —
dad Heftige Wundfieder, das fic) eingeltellt hatte. Cin
neuer, funfigeredjter Verband tar bald angelegt; det
Urgt verordnete die ndthigen Mafregeln und verfprad,
in dev Frithe des fommenden Morgen feinen Bejud
gu etnenern und fiir einen Rranfemwarter forgen gu wollen.
_ Xruda harrte bei dem Leidenden eine bange Nacht.
Sanee wider die Fenfler. Der Mrante redete wirre,
ungufammenbargende Worte, Gegen Morgen entfdlum=
mete er, Der Argt fand feinen Zuftand berugigend.
Seine Befinnung war mit dem Anbrud deB Morgens