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fat wie Verbredjen. Die Unbefannte begeqnete feinen
glithenden Blicen mit feltjamer Ruhe und Unbefangenheit,
Bis die Bofe, wahrideinlic) auf einen Wint dec Gebies
terin, da8 Fenfler fohloR und die Blenden fallen lief.
Sie Halt mich wohl fiir einen gudringliden freden
Menjden,” murmelte Miller betriibt.
Der erfle Morgenfdimmer fand ihn wieder am Fenfter:
ex mufte dod) bas reizende Wefen fehen, bevor er in’s
Gejhaft ging. Die Blende war aufgezogen, aber die
Unbefannte geigte fid) nicht. Endlich entdedte fte Meiiller,
wie fie auf einem Divan lag. Dort rubte fie und blidte
gu ibm heriiber,
» 3 tann fein Srethum fein, fie fieht auf mich,” fliifterte
er felig und trat an den Spiegel, das eigene Selbjt gu
muftern. :
Du bift fein Habliher Kerk, Miller,” Wadjelte er,
iver weifh, was gejdehen mag!“
Und Hingeriffen von unnennbaren Gefiihlen ging er
wieder an’3 Fenfter. Die Bofe febte eben einen Hut auf
die Rabenloden der jungen Gebieterin, trat uric, um
die Wirkung zu beurtheilen, und naherte fic) dann wieder,
um den Hut gefdymadvoll gu ridjten, Wie fehr bedauerte
Miller, nun in die Bank gehen gu miiffen; wie fehr
beflagte er da8 Herbe Gejdic, das ihn nit gum Heren
der eigenen Beit gemadt!
MWS er UAbends wiederkehrte, galt der erfte Gedanke
dem fonen Gegeniiber. .
Wieder ruhte fie auf dem Divan und die Bofe pro-
birte verfdiedene Sdhube und Stiefelden an den gier=
Tiden Giibdjen. Hierauf hob fie die Dame in fikende
Stellung. Miiller argerte fic) iiber das ungefdliffene
Ding, das die cine Krante, wie ihm’ ddudjte, bei
weiter nidjt gart und vorfidtig genug anriifrte.
Bu Tangen Beobadtungen aber feblte die Beit. Die
Satten dec Dammerung fentten fic), wie fie e8 am
porigen Whend gethan. Gie fenten fic) gewdhnlich um
Diefe Beit. Wie entylidend ware e3 gewefen, Hitte er
ohne Aufhdren Hiniiberblicen diirfen! Weldje Wonne,
Daf feine gliihenden Blice erwiedert worden waren! Ya,
das waren fie gang entfdieden — und ihm war e8, al8
miiffe er iiber die Strae ftiirgen und fic) der Unbe-
fannten gu Giifen werfen. Das fcjidte fich wohl nicht,
twie ev fic) weife fagte; aber e8 gab einen Wusweg —
er fonnte, er wollte fdjreiben.
2.
Miiller fohrieh. Die Borhange bes gegeniiberliegenden
Haujes waren einige Tage nidjt gedffnet worden und er
hatte gu fiirdjten begonnen, die Geliebte fei fort. Endlich
aber ftand da8 Fenfter offen und er fa fie wieder in
. al? ihrem Liebreiz. Nun fafte er den fiihnen Entfdhlus
und jdprieb.
Gh will Millers Benehmen nicht vertheidigen, id)
conftatire einfad) die Dhatfadhe.
yMadame! Gefiihle, die gu nennen ¢3 feine Worte
gibt, drangen mid) gu dem Tiihnen, vielleiht unvergeih=
lihen Gehritt. Beh liebe Sie, ich verehre Sie, id) bete
Gie an. Dart id) hoffen? —
wohl begueife id) die Raferet meines Thun, aber
nehmen Gie mein Leben, nur laffer Sie die Gardinen
. nicht fallen, Wenn Sie nach Empfang diefer Beilen fid)
nit bon mir wenden, wenn ire Gajellenaugen nod
einmal meine febnenden Blice treffen, fo weif id, dab
Hoffnung Vadelt fiir den Mann, der Sie wahnfinnig
Tiebt und Jhr begauberndes Bild im Hergen tragen wird
bi8 an’S Ende feiner Tage. “Karl Miter”
Miiller fah den Brief abliefern: die Zofe betrachtete
ihn erftaunt und der Negerjunge, der ihn gebradjt, grinste
Hohnijdh. Die Wdrejfe lautete: An die fdane Rrante
in Nro, 36, Weinftrafe.”
Der arme Commis aber fah nidt, wie die Dame
und die Bofe, weldje die Kranke begleitet Hatten, in
trampfhaftes Gelachter augbradjen. Ciner weniger tren
Hergigen Natur al Miiller wire e8 am folgenden Tage
wohl aufgefallen, dab die beiden Frauen lautauf lachten,
al die fdjine Unbefannte forgfaltig in einen offenen
Wagen gehoben wurde, fie felbft einftiegen und der vers
Tiebte Seladon der Tangfam dahinrollenden Equipage folgte,
bi8 fie vor einem fdinen Haufe der Madifon-Avenue Hielt,
Die Kranke wurde Herausgehoben und in die neue
Wohnung getragen. Millers Jammer begann. Das
reizende Wefen fehrte nidjt mehr nad) Nro. 36 guriid,
und twollte er die Huldin fehen, fo blieb ihm nidjts
librig, al8 vor ihren Yenftern gu promeniven, two die
Erhabene fid) zeigte und ihe Auge immer wieder dem
feinen begegnete. Mtiiller fajrieb nod) einmal, und da
fie fid) nie bon ihm gewandt, bat er, fie befuden gu
Diitfer. Miihner als dev italienifdje Bandit Jerrygomimblo,
der nur den Gefahren feines Berufed getrogt, ftiirgte er
fich in unbefannte Fabhrlidfeiten, Was modjte ihn -nidt
Wiles erwarten!
Er erbielt eine Antwort, Das Gite blendete ihn.
Sie, das Weib mit dem unvergleidliden Teint, mit den
Herrliden Mugen, mit der feinen Taille, fie, die Gittin
feiner Triume, erlaubte ifm zu fommen. .
,Kommen Sie und fehen Sie mid); vielleidht werden
Sie geheilt.“
Natiirlich eilte er fofort zu ihr. Die Bofe empfing
ihn ernft, brad) aber, fobald fie auger Gicht war, in
fGallendes Gelidhter aus.
Gr betrat ein grokes Bimmer, in dem in majefti-
tifher Rube die Geliebte ftand.
Miiller Hielt e8 fiir’s Befte, vor ihr zu fnieen. Diefer
Tribut der Demiithigung fonnte feine Wirkung nid
verfeblen.
Wie fol id Jhnen danfen, Fraulein,” ftammelte
Miller, fic) vor ihr niederwerfend; id) — ich bete Sie
an, — ich) bergittere Sie! Wollen Sie giitig fic) gu
mir neigen 2”
Sie antwortete nidt, aber eine Dame trat Yachend
tibet die Schwelle,
yDer Sery- ift min wohl weit genug getrieber,
Yieber Herr,” fprach fie, ,,fo eigenthiimlid) und unglaublid)
die Gejdhidte aud immer iff.”
sh verftehe Sie nidt,” feudjte Miiller.
/RiGt? IPs migli, dak Sie nod nicht wiffen,
day Sie Bhr Herz an eine Wadhsfigue verforen und ife
Briefe gefdjrieben haben 2”
die 2" .
Sa, ja,” Yachte die Dame und trocinete fich die
Hellen Thrainen, ,,78 ift richtig; die Figur ijt allerding3
gut gemacht und ift bas Modell meiner Sajrvefter, welde
Sangerin- in New-Orleang ift und fiie welde wir hier
alle Roben und dergleidjen jowohl fiir die Biihne al8
fie die Strafe madjen Iaffen. Nidhfte Woche wird fie
Hier auftreten und ic) erlaube mir, Qhnen ein Billet
angubieten,”
TNO WOT eam OO RD DON OO em ke
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wo