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Tarapeenanroeey ee ee ers
207
fiber einem Betftuhl Hing ein fohwarzes Kruzifir und
paneben, unmittelbar bet dem Bett, ein Matrojenhut
oder ,Siidwefter” von getheertem Segeltud,
Die Frau lieh fic) auf die VBetbank nieder, ftreckte
die Arme Freugweijfe empor, bewegte die Lippen und murz
mefte, den flehenden Blick gum Himmel geridjtet, ifr
{tilics Gebet.
So 3u Gott emporftrebend und die Augen von Hsherer
Gluth befeclt, fdjien die arme Witte nod) mit einer
cewiffen Schinheit begadt. Die untergehende Gonne,
die Das niedre Fenfter ftreifte, ergok den rofigen Whend=
fhimmer iiber ifve Bleidhen Wangen und fejmiictte fie
mit dem frifhen Schmelz deS jungfrauliden Lebenslenzea ;
ijt zarter Gliederbau, ihre diimne Meidung, ihre aufge=
jholfene Geftalt — Wlle3 wirfte mit, ihr die Sugend-
lidfeit und den verfornen Liebreiz tviederzugeben. Ja
gewif! Anne-Mie mufte frither ein Hiibjdes Madden
gewefen fein! ...
Wahrend fie, fhon feit geraumer Beit im Gebete vev-
junten, ihre Umngebung vergeffen zu haben fdjien, sffnete
Semand behutjam die Thiire de} Zimmerdens und blied
fopffditttelnd und fie mitleidig betrachtend ftehen, obne
fie jedod) in ifvem Gebet ju ftdren. .
C$ war ein Fleines altes Frauden, ganz frumm gee
wadjen und mit einer Hohen Schulter; aber ihre Wugen
waren nod) febendig und um ire Lippen ftand ein Bug
inniger Giite ausgeprigt. Sie Hielt einen Tragforb am Wem.
Die Witwe mufte ihr Gebet beendet haben, denn
fie madjte das Rreugzeiden, ftand. anf und wandte jd)
um. =Shre Wugen waren nod) ganz verweint.
oUnne-Mie! Mnne-Mie! Du thuft nicht recht,” fagte
die Alte fehmiifend. ,,Da weinft Qu Dich mum in der Cine
jamfeit vor dem Sreuzbilde fatt. Gewiff, Kind! Beten
it felig; aber Du fannft folde Aufregung nicht ertragen.
Willjt Du wieder frank werden... . fterben- vielleidt ?
Dente dod) an deine armen Kinder!”
vd! Tiebe Trine, fei mir dod) nicht bife,” bat die
Witwe, in das vordere Bimmer tretend. Gd) fann es
nidt Helfen; 8 geht Etwas in mir vor, das unbegreiflid)
iff, Seden Wugenblid Hire ic) feine Stimme, die meinen
Namen ruft — ja eben bat er mid) fogar flehentlic,
fiir feine arme Geele gu beten.”
vShweige dod), Wune-Mie, von foldem Aberglauben,
denn wiihrend Du fpridjt, bebjt Ou am ganzen Leibe.
€8 find die Nerven, weil Du nod fo fcwad) bift nach
dem Haplidhen Fieber. Wher jeke Did. Jey habe hier
Ctwas fiir Dich, das Dir nicht wenig gut thun wird.“
Sie holte einen fteinernen Xopf aus dem Korbdjen
Yervor und febte ign auf den Tijd.
Sieh, das wird deine Nerve beruhigen,” fubr fie
fort. ,, Warme Suppe mit "nem Stiickdhen Fleifd) darin.
Sd habe fie fiir mich befommen bei Herr Joris, dem
Kaufmann, — aber Du begreifft wohl; Mune-Mie, fiir
ten id) fie haben wollte.” :
oS, ja, Du guthergiges Trindjen, wie fann id
jeitlebens deine Liebe Dir vergelten!” feufzte die Witwve.
»Ohue Dich, ohne deine Hilfe ware ich fajon feit Woden
todt und begraben.”
_ komm’, form’, mad’ nidjt fo viel Worte; Hier ift
cin Loffel, beginne nur mal rafd) gu effen!”
Die Witwe nahn cinige Loffel Guppe gu fich; fie
[dlitefte fie mit Behagen und ein Liidheln der Befriedi-
Gung jtrahlte auf ihrem Ungefidjt, als fiihle fie, wie
sugleid) mit der Nahrung neue Lebenstraft fie durdhftrdime.
PlHblidh Htelt fie gu effen ein und fagte: Id) habe
genug, Trindjen, und will das Tdpfrjen bis Heute Abend
wegfeben. “
diet! nein!” rief die alte Frau; ,,da3 geht nidt!
Du willft mid) wieder Hintergehen und die Suppe fiir
deine Kinder bewahren? Sie haben 3 nicht ndthig;
fie find gefumd und ihe Magen fann jehwerere Pojt ver=
tragen.“ .
wUdh nein, Trindjen! Unjer armes Miefen wird bleid)
und unfer RsSdhen ijt ganz ab von Hunger.“
» Mahe mix nichts weis, WAnne-Mie! Deine Kinder
blithe wie die Uepfel. Willft Ou mid glauben machen,
Daf} Du mit flinf oder feds Liffetn Suppe genug Hajt 2
Du wirft fie augeffen, ganz und gar, oder id) werde
bale und Taufe damit fort. Willft Qu mun effen, oder
nidjt.“
/ Wenn Du fo darauf beftehft!” feufste die Witwe,
den Loffel nehmend. WIS fie Die Suppe und das Fleijd
genofje hatte, fagte jie mit ftrahlenden Mugen und mit
der Hand ither die Magengegend fahrend: ,,Du Tieber
Himmel! Trinden, das ift dod) was Gutes, fold) cine
fraftige Guppe! Mir diudt, dak ic) mum auf der
Stelle auggehen finnte und eine ganje Fradt Mufdjeln
augbieten. Dank, Dank! Gott wird e3 Dir lohnen,
Trinden. Mun will ich mich rafdh wieder an da3 Wus-
beffern der Gacke maden; id) verdiene wohl nur ein
paar Pfennige taglic) damit, aber alle Bifden Helfen,
nicht wahr? Bleib’ nod) ein WAugenblictden figen, e8
madt mic) fron glitch, Did) nur gu felen.“ .
yOu fpridhft von Mujdeln, Anne-Mie?” rieF die
alte Frau trviumphirend. Mun, dann hab’ ich eine gute
Meuigkeit fiir Did. Fraulein Ooom Hat mir verjproden,
daB fie mir drei Gulden vorftveden wolle fiir die Spige,
Die id) vorige Wodje auf mein Kiffen gefebt Habe. Gobald
Du ausgeher fannft, werde id) mir die drei Gulden
Holen und dafiir fannft Du wieder Mufdela und Gare
nalen faufen und fiir Did) und deine Kinder Geld ver-
Dienen, wie vordem. Nelis, der Wagenmader; wird
Dir fiir einen Stiiber taglic) einen Gdhiebfarren . ver-
muiethen.“
Mh, Trine! wenn Du meine eigene Mutter wart,
founteft Du mic nidt mehr Liebe erzeigen. Wie habe
id) die um Did) verdient 2“
pRonmnv’ fom’, wir find ja Wile mitjammen Chri-
flenmenjdjen, Unne-Mie! und Ciner mug dem WAndern
Helfer. Gegen wann glaubjt Du trajtig genug gu jein,
um deine Waare auggutragen, wenn Du aud) nur erjt
de§ Abends mit Garnalen- anfingft 2”
Su Fiinf bis fech3 Tagen vielleidht, Wenn der Haug-
Here nod) ein paar Wodjen Geduld. haben will; fonjt
wird e3 un8 fejlecjt ergeben... .“
, Ex wird warten, min ev fieht, dab ¢8 befjer mit
Dir wird, fei defhalb ohne Gorge!”
/Gr ift felbjt arm, Trindjen. Der Mann Hat e3
aud) Hod) nithig und Du weift wohl, Lesten Camstag
Hat ex nod) gedroht, uns auf die Strabe fehen gu wollen.
Hiitte id) nun nod) Chwas gu verfaufen oder gu_ver-
jeyen — aber Miles, was einigen Werth hatte, ijt fort.”
Sd) werde morgen mal mit Baas Najfelmann reden.
Sei nur rubhig, von der Seite Haft Ou nidjts gu fiird)-
ten... . Uber, fag? mal, Arne-Mie, wo jind deine
Kinder 2" :
plnfer San iff in. feinem Laden bei Herr Joo,
dem Segelmader, Du weift ja...