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Bom 11, bi8 17. Wugujt 1870 wurde aljo die ftarfe
Feftung von der hadifcjen Divifion eingefdloffen, doch
nur unvollfttindig. Hiegu famen dann nod) die preupifde
Referve= und die Garde-Landwebrdivifion, die Belage-
runggartillerie und tedjnifde Truppen. Oberbefellshaber
diefes Belagerung&corp3 war der preukifde General von
Werder. Naddem General Whrid) unter Wnkiindigung
de3 Bombardements mehrmals erfolglos zur Ucbergabe
aufgefordert worden, begann am 24, Auguft die Befdiee
fung von Strafburg. Gleid) in der erften Nadht ftept
die badijde Stadt Mehl in einer Hohen Fencrlohe, ange-
fadjt durd) die vor Strabburgs Wallen HeriibergefAlene
derter Bomben und Granaten. Dod ein griferer Brand
withet gleid}scitig in Strasburg. Das Miinfter ift weithir
fichtbar im Feuerfdein und fdjwantt feinbar in den
vom Winde hin= und hergetrichenen Flammen. Dazu
da8 unanfhdrlide Bliken der Gefdiige, wie Wetterfendten
tings um Stragburg, und dev fortwahrende Gefdiih-
donner in allen Tonarten Lis gum tiefften Bah der ge-
waltigen Gubftabltanonen; dazu da8 fternfejnuppenare
tige Blinfen der plagenden Granaten, die viefigen Maudj=
faulen, der Himmel gur Hélfte feurig, das Briillen des
Biehes: — da3 Ganze cin Bild der Hille. Dennod
wurden die folgenden Nite nod) granfiger, die Bejchies
fung nod) heftiger. Strakburg ergab fic) nicht.
Um jedod) die Stadt nidt villig 3u vernidten — das
Miinfter war forgfaltig gefdont worden — hirte das
Vombardement am 28. Auguit auf und die regelmapige
Velagerung begaun mit Crbauung zehn neuer Baitterien
und mit der Erdffnung de3 erften Laufgraben8, 600 bis
800 Sdjritt von den Feftungswerken entfernt, in der
Nat vom 29. auf den 380. Wuguft. Sdon in der
Nacht vom 31. Auguft auf den 1. September wurden
die Verbindungswege zum stveiten Laufgraben und in
dev folgenden Nacht der aweite Laufgraben jelbft, 800
- 618 400 Schritt vor der Feftung, ausgehoben. Chen fo
qejdah 8 in den Nadten vom 9. bis 12. September
mit dem dritten Laufgraben. Mittlerweile war aud) der
Bau der Belagerungsbatterien durdjgefiihrt worden. Bis
jun 9, September waren 98 gezogene Ranonen fdweren
RKalibers und 40 Mérfer gegen die Angriffsfronten auf-
geftellt. Auferdenr befdhop die badijae Feftungsartillerie
vor Kehl aus mit 32 gezogenen Ranonen und 8 Mir=
fern nadhdriictlicy die Citadelle und fpiter riidten noch
wiitttembergijdje und bayerifde Batterien vor Straburg.
Bwet Riefenmirfer warfen Bomben von 14/g Center
Gewicht in die Citadelle. Wie cine Miefenfdjlange fic
criger und enger zufammenzieht und ihe Opfer in ihren
vielfadjen Umwindungen rettungsl[os erftidt, fo jdfangen
fih die Laufgraben. mit den Vernichtung fprithenden Bat-
tevien taglic) enger um die GFeftungdwerfe, deren Gee
{hiike immer fohwadher antworteten und gum Theil ganz
verftummter, Am 15. September ward die Tehte Wrbeit,
die fogenannte Glacistrinung, vollendet und nun fornnte
Brefde in den Feftungs-Hauptwall gefdoffer rwerder.
Bald flaffter aud) groge Lticlen darin, Dann wurden
am 20. und 22. Geptember auch nod) gwei Sunetten
(Aufenwerke vor der Hauptumwallung) eingenommen und
mit Ranonen und Mérjern befest, wodurd) die Brefdjen
am Steinthor ertveitert und gum Cindringen der Sturm=
cofonnen braudjbar wurden. Die Kraft der Belagerer
war fidthar gebrodjen und fdjon war aud) der Sturm
fiir die néchften Tage befdjloffen. Da wehten am 27, Sep=
tember gegen 5 Whr Whends auf dem Thurm de3 Miin=
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fter8 weife Fabnen, Bald fahwiegen die Feuerjehlinde
und die frohe Kunde, dab Strafburg fid) ergibe, lief
wie ein elettrifdjer Blik durd) das BVelagerungsheer. Auf
allen Seiten um die Stadt fpielten die Regimentsmufiten.
Die Deutfhen ftanden jubelnd auf ihren Berfdjangungen
und die Franzofen guiibten von den Geftungswallen her
liber, War ja dod) nun der Sturm erfpart, mit ibm
dag Hinopfern von fo viclen Menfajenteben und die Ver=
nihtung cines grofen Theiles der Stadt.
Die Verlufte der Deutfdjen wahrend der ganyen Betaz
getung, die 48 Tage daunerte, betrugen 906 Todte und
Verwundete, darunter 43 Offiziere. Das Beifpiel, dak
in fo Turger Beit eine fo gewaltige Feftung beswoungen
tard, ift nidjt oft in der Rriegsgefdidte verzcidnet.
Strafburg ward tapfer vertheidigt, Die Miibfalen der
Belagerer waren um fo grifer, als die diclen Regengiiffe
die Laufgriiben, in denen die Truppen Tag und Nacht
unter dem furdbaren Feuer der Fejtung fic) aufhalten
und abmiifen muften, oft fuphod) mit Wafer gefiillt
Hatten. Dennod) blieben fie frdhlidien Muthes und der
Soldatenhumor veranlafte mance Heitere Syene. Cine
folde veranfdjaulidt der nad) der Natur geseidjnete Hols-
fonitt auf Seite 81. Wir fehen da, wie die Bedienuna
einer preubifen, aus gezogenen Bwilfpfiindern beftehenz
den und in einem Laufgraben erridjteten Fejtungsbatterie
frdhlich am Erdwall lagert und fic) nach Heifer Kampfe
an dem Subhalte eines Bierfafdjen3 Yabt, das in dee
gerfdjojfenen Braueret nebenan alS ein fbftlicjer Gdhas
entdectt worden, Bock de Strassbourg!
Die Ubergabsbedingungen Strakburgs waren wie die
von Sedan. Die Bejakung (451 Offiziere, 17,111
Soldaten, 2100 Verwundete und Kranke) wurde frieg8-
gefangen, mit Ausnahme von 7000 Nationalgarden, die
nur entwaffnet wurden, Grofe BVorrithe an Tud, 10
Millionen Franten in der Bank, Tabat im Werth von
mehreren Millionen Franken, iiber 1200 Kanonen, cine
Menge Gewehre, faft 8000 Centner Pulver und fonjtiges
Kriegsmaterial aller Art wurden erbeutet,
Am 30. September fand im fatholifdjen Miinfter
und in der proteftantijden Thomastirde feierlidjer Dank=
gottesdienft ftatt, dem die deutfdjen Soldaten mit WXn-
dadht beiwohnten. C8 war derjelbe Tag, an dem
por 189 Jahren die Freie Reid sftadt Strafe
burg ihre Thore dem frangzififhen Bwing-
Herrn gedffnet hatte. Und gum erftenmate war
e8 jest im Sahre 1870, dak Strabburg, eine Feftung
erjien Ranges und eine Stadt von 84,000 Cinwohnern,
mit Gewalt eingenommen wurde, Aber in die Sieges=
freude dev deutjden Streiter mifdte fic) die tiefite Weh-
muth iiber die Berflirungen in der Stadt, iiber das
Elend der Taufende von Obdachlofen und iter die zahl-
reidjen Opfer an Menfdjenleben unter den fojrectlich heim=
gefudten Bewohnern Strafburgs *), Cs war ein faGweres
Berhangnif, dafB die grofe deutfde. Mutter ihr lange
verfornes Kind aus den Flammen de3 Krieges wieder
hat anfnehmen mitffen.
*) Nod) wihrend der Belagerung Hat fid) in der Sdiweig
ein Hilfsverein fiiv die ungliicliden Cinwohner Stragburgs.
gebitdet und milde Gaben in reidhlidem Mage gefammelt,
Ginige taujend Strafburger wurden in die Sdhwerz gebradht
und bier verplest. Das ift eine anevfennenswerthe That
der Nidhftenticbe. Aud) in Deutfdland ift fofort nad) dem
Galle der Feftung cine nationale Unterftiigung der dortigen
VBevdlferung mit betridjtliden Summen eingeleitet worden.