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- umfagt oft viele hunbdert Werfte im Umfreije.
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Tich weit auf, alS ob ex einen der Gajte verfdjlingen
wollte, und der giitige Wirth ftopft ihm die ganze La-
dung jeiner grogen Hand hinein. Cine echte Bogelfiit=
terung! Bon dem Zuviel de$ Empfangenen etwas in die
Hand zuriié gu nehmen, ift gegen den Braud, und nur
wenn Dem armen Teufel Erfticen droht, darf er mit eige-
ner Hand gu Hilfe fommen.
Die Efjenden haben fich unterdefs am Fleifdje fatt-
fam giitlich gethan, denn faft leer werden felten die Sahfiffeln
abgetragen. Wuf diefe3 folgt jebt die Briihe, worin das
Bleijeh gefodjt wurde. Diefelbe wird in Heinen Halzer-
nen Sdhiiffeln, in denen aud) der Kumys getrunfen wird,
den Gajten gugeftellt.
Nad) beendigter Mahlzeit folgt wieder ein Hiinde-
wajden und hierauf da8 turze Dantgebct: ,,Allah risa-
wolzen ,* (Gott, “ich. Danke Dir!) wahrend weldem mit
beiden laden Handen leicht iiber das Geficht gefah-
ret wird,
Was die geiftige Entwicklung de3 Kirgifen anbelangt,
fo. liegt diefelbe nod) im tiefjten Safummer.
Sein Leben ift ein rein. vegetirendes. Runft und
Miffenfahaft und ogl. exiftiven fiir ihn gar nicht; ex fennt
dicje Gaden nicht, will fie- nidt fennen. Bon einem
gcijtigen Genu® fann er fid) gar feinen Begriff maden,
entbehrt ifn aber eben darum aud) gar nit.
Gine eigene Sehriftfprade hat der Rirgife Hi3 heute
nit und feine Sprache jdjreibt ex mit tartarifdjen Buch-
ftaben, mit denen allem er aber — wie man mid) ver-
ficherte — feblecht augfommt, indem viele Warter vor-
fommen follen, deve Weceut fid) nur mangelhaft in
tartarijdjer Sehreibart ausodriicden apt, trokdem dah
beide Spradjen nur verfdiedene Dialefte einer Mutter=
fprade find.
Gefang und Muff (was wir bei manden wilden
Stammen finden), diefe licblidje Bwillingstidter des Him=
mels, entbehri. der Rirgije ebenfalls. Was er mandmal
im Gefiihle der Freude por fic) Hinjummt, ift weiter
nidts alS cin anus dem Stegreif gegriffenes, tatt =, fa-
und melodielojes Gebrummne gu einer ebenfalls aus. dem
Stegreif gegriffenen Proja. Bon Ynftvumentalmufié fann
ex fic) nur dann cinen Begriff maden, menn cr jolche
auf einem ruffijden Sahrmartte gehirt hat. Die BWul-
befiger lernen das Lefen und fehreiben bei den Mulahs,
(Geijiligen), deren religidfe Bildung eine tartarijdje ijt.
Diefe Neidjeren nur wiffen etwas néheres. von Meligion
und Koran, fie nur fah id) Whends vor Sdjlajengeh’n
beten mit der ndmliden, erfhebenden Feierlidjfeit, wie
felbft der Tartare, Der gewidhnliche Rirgije aber rweif
pon feiner Religion aufer der Form rein nidts.
Das Gebiet de3 ebenfalls in ciner Nypitia Lebenden
Mulahs (weil die Pfarrfinder fo weit auseinander wohnen)
Seine
gewdhuliche Funktionen find: Trauen und Beerdigen.
Mofdjeen gibt e3 auf der Steppe natiirlid) nidt, rwobhl
aber ftieh id) auf der Reife auf einen Beerdiqungsplag.
Werfen wir einen Blic in’s efelide Leben. Cin
Eheglii nad unjern Vegriffer ijt unter mubamedanifden
‘Perhiltniffen nidjt denfbar, Der Kirgife taujt fidh feine
Frauen, (Gu 4 Frauen fteht ihm das Recht gu) d. h.
et taujdt fie ein fiir Bieh. Cine ordentlide Frau fojtet
ungefahr 20 bis 50 Kameele, fo viele Pferde und etwas
‘weniger Sdjafe.
Der Handelsatt wird vom Vater gefehloffer, ohne
“pas Madden um fein Cinverftindnif gu fragen oder
nur bon Ddiefem Maufe gu unterridjten. Nur die reiden
Rirgifen haben mehrere Weiber, wahrend die Leute der
gewdhulidjien Kaffe fic) mit ciner Frau begniigen. Wiih=
tend die Frau fiir immer an ihe einfames Belt ge-
bunden ift und von Allem nidjts weif, was aufferhalo
deSfelbern in der Welt vorgeht, fo vergeht beim Manne
Der gripte Theil deS Tages in ungeftiimmem Herumreiten
in Gottes freier Natur; er madt Bejude und empfiingt
fie wieder juriicé, fommt mandjmal unter die Nuffen
und fieht und hort auf den Yahrmirften jo mandjes
Nene und Schone.
Cine folde grofe Verfdiedenheit in der ehelidjen
Stellung und Bejtimmung beider Gefehlechter dvitdt ebenfo
dem Gefidhigausdrud wie dem gangen. Benehmen einen
eigenthiimliden aber fenngeidynenden Stempel auf.
Unter den Kirgijen fowoh! wie Bafdfiren begegnet
ung jehr haufig die Betitelung: Sultan”; fie beseidynet
den firgififden Woel.
- &8 werden 20 bis 80 Sahre her fein, daf dee
lebte Herrfdende Rirgijen-Mhan (Fiirjt) feine Herrfdaft
an Ruplands Zepter abgetreten Hat, gegen eine entipre=
Gende Vergiitung.
Der lebte Rhan baute fis im Herzen feines Kirgifen=
thums ein palaftartiges - Haus nebft. einer muhameda=
nijdjen Mofdjee. Sm Verlaufe der eit Haben fic) nod
ruffife und tartarijde Kramer, ja felbjt Kirgifen mit -
ihren Kypitten dajelbjt niedergelaffen und fo hat fic) mit
der Beit dajelbft eine gang ftadtartige Niederlajjung
gebildet, aber die originellfte, die e3 auf Crden geben
fann. Da ftehen baufillige, elendDe Hausen und Mir=
gifenfypitien neben und untereinander und, was mir
ganz. merfwiirdig vorfam, inmitter eines jajt nidjt gu
iiberfahrenden Gandmeeres, das. die Wnfiedelung . fiinf
Werfte weit im Unmfreife umgibt und dev Mejidenz des
chemaligen Kirgifenfiirften ein fdauerlic) unbeinlidjes,
Diifteres, ja wildeSs Anjelhen gibt.
Hier in der alten Rirgijenefidens ijt jet der Sil
der rufjijdhen Geridhisdehirde. Nur der erjte Vorgejeste,
ein Mann von ebenjo ausgeseicjnetem Charafter wie fet=
ner. Bildung, fpridht die firgijijdhe Sprache, die- itbrigen
Beamten bedienen fic) bet Verhandlung der Dollmetfder-
G8 unterliegt feinem Brweifel, dafs durd) den Cine
flu dev rujfifden Oberherrjdjaft die Beit einer allma-
ligen Kulturentwidelung der Rirgijen nidjt mehr. jerne
ijt. Denn, fdon finden fid) viele der reidjern Sirgifer,
die bes Gommers ganz Hiibjde Heuftice anfegen, um
ihe Vie Winters vor Hunger, MrankHeit und Zod gu
{hiigen. — Sdhon gibt ¢3 viele, die c3 vorgiehen, Win=
terSzeit, wenn Stein und Bein gujammenfriert, in einer
jogenannten. Semlianka (Grdpiitte) ftatt in der Tuftigen
Kypitfa zu wohnen. Ferner, wenn ich recht beridjtet
wurde, fol ein gewifjer Gultan in jiingfter Beit den
erften Pflug an die jungfraulidhe irgifen = Erde gefebt
haben und jomit in die“ Bunft Kains eingetreten fein,
Wahridheinlich werden bald auc) Verjucje gemadt wer
den, mit Wagen yu fahren. Bis jest wird der Wagen.
pertreten burd) dag ,, Sdjiff der Wiifte,” das Kamel.
Die Urbeits=, Studier= und Bierftube, die Menn=
seidhnierin unferer Thitigheit, ijt beim méaunlidjen Ge=
joledjte der Rirgijen auf feinem Pferde, Da ijt er gu
Haufe! and Hier miifjen wir ihn aufjuden, um iba am
rechten Plage feiner Beftimmung angutrefjen. C3 ift
daher eine ganz natiirlide Gade, wenn er, auf dem
Pferde gleidhjam groh gewadfen, im Reiten jene ancr=: